Anlässlich des 50-jährigen Jahrestags der Stonewall Riots bezieht sich das Motto auf eine
Formulierung in dem Gründungsdokument des ersten CSDs 1970, in dem es heißt „no
dress or age regulations shall be made for this demonstration“. Es soll zum
selbstkritischen Diskurs über Fragen zur gesellschaftlichen Akzeptanz aber auch zur
gegenseitigen Akzeptanz innerhalb der Community gleichermaßen anregen.
In der Nacht von Freitag, 27. Juni 1969 zu Samstag, 28. Juni 1969 kam es in der Szenekneipe „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Gästen und der Polizei. Schon über längere Zeit zuvor war es in den Szenekneipen immer wieder zu willkürlichen Razzien durch die Polizei gekommen. In besagter Nacht waren in der Kneipe viele Schwule, Transsexuelle und Drag Queens anwesend und auch generell sollen sich an diesem Wochenende viele Homosexuelle in der Stadt befunden haben, da zuvor die Beerdigung des Schwulenidols Judy Garland stattgefunden hatte. Die Auseinandersetzung im Stonewall Inn zog mehrtägige Straßenschlachten nach sich und stieß auf eine breite Solidarität in der New Yorker Schwulenszene.
Die Ereignisse, die in gewisser Weise einen Wendepunkt darstellen und heute als der Beginn der modernen Emanzipationsbewegung verstanden werden, wurde im Nachgang von den damals zwar schon vorhandenen, jedoch weitestgehend nur gemäßigt auftretenden Aktivistengruppen für die Rechte Homosexueller kontrovers diskutiert. Am 02. November 1969 fand in Philadelphia eine Konferenz verschiedener Aktivistengruppen statt, die Eastern Regional Conference of Homophile Organizations (ERCHO). Bei diesem Treffen reicht die homophilen Aktivisten Craig Rodwell, sein Freund Fred Sargeant zusammen mit Ellen Broidy und Linda Rhodes eine Resolution ein, die auch mit breiter Mehrheit angenommen wurde. Diese besagte:
„That the Annual Reminder, in order to be more relevant, reach a greater number of people, and encompass the ideas and ideals of the larger struggle in which we are engaged—that of our fundamental human rights—be moved both in time and location.
We propose that a demonstration be held annually on the last Saturday in June in New York City to commemorate the 1969 spontaneous demonstrations on Christopher Street and this demonstration be called CHRISTOPHER STREET LIBERATION DAY. No dress or age regulations shall be made for this demonstration.
We also propose that we contact Homophile organizations throughout the country and suggest that they hold parallel demonstrations on that day. We propose a nationwide show of support.“ [Hervorhebung in fett durch den Förderverein.]
„Damit die jährliche Mahnung, um relevanter zu sein, eine größere Anzahl von Menschen erreicht und die Ideen und Ideale des größeren Kampfes, in den wir involviert sind – der unserer grundlegenden Menschenrechte -, zeitlich und örtlich verortet wird.
Wir schlagen vor, alljährlich am letzten Samstag im Juni in New York eine Demonstration zum Gedenken an die spontanen Demonstrationen von 1969 in der Christopher Street abzuhalten, die als CHRISTOPHER STREET LIBERATION DAY bezeichnet werden soll. Für diese Demonstration werden keine Kleider- oder Altersbestimmungen festgelegt.
Wir schlagen außerdem vor, dass wir uns mit homophilen Organisationen im ganzen Land in Verbindung setzen und ihnen empfehlen, an diesem Tag parallele Demonstrationen abzuhalten. Wir schlagen eine landesweite Unterstützung vor.“[Hervorhebung in fett durch den Förderverein.]
Wir haben uns entschieden, bei der Wahl des diesjährigen Mottos nicht nur – wie viele andere CSDs – an die Ereignisse in der Christopher Street 1969 zu erinnern, sondern möchten den Grundgedanken der Solidarität innerhalb der Community, der in dem „Gründungsdokument“ des ersten (und aller nachfolgenden) CSDs, in den Mittelpunkt rücken: No dress or age regulations shall be made for this demonstration. / Für diese Demonstration werden keine Kleider- oder Altersbestimmungen festgelegt.
Damit möchten wir eine selbstkritische Diskussion anregen, die einen Moment innehalten lässt um sich zu fragen, ob wir dem Anspruch der Toleranz und Akzeptanz, den wir zurecht (!) an die Gesellschaft richten, auch innerhalb der eigenen Reihen gerecht werden. Leider kommt es immer wieder zu Aus- und Abgrenzungen innerhalb der Community und der Dialog über Identitätsgruppen hinweg lässt durchaus an mancher Stelle noch zu wünschen übrig: Schwule vs. Lesben, Homo vs. Trans, Homo vs. Bi, Leder vs. Puschel, Butch vs. Femme, Sexuell vs. Asexuell – man könnte die Liste beliebig erweitern.
Ebenso, wie damals in New York ALLE für „den größeren Kampf“ zusammenstanden, so wollen auch wir uns gemeinsam mit allen der Community für die Belange von jeder und jedem einsetzen – individuelle Ziele sollen dabei nicht aus dem Blick verloren werden, aber letztlich geht es um die ALLGEMEINE Akzeptanz für ALLE Menschen – ganz gleich welcher Identität oder Orientierung.